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Die Antwort des DGB auf den offenene Brief von Attac Gruppen aus NRW

Guntram Schneider hat im Namen des DGB NRW auf unseren offenen Brief wegen der gemeinsamen Veranstaltung mit der Bertelsmann-Stiftung geantwortet.

Sehr geehrte Damen und Herren,
zu Ihrem offenen Brief in der o. g. Angelegenheit teile ich Ihnen Folgendes mit:

Der DGB Bezirk NRW betreibt seit Jahren eine Politik der Öffnung gegenüber anderen gesellschaftlichen Organisationen und Einrichtungen – auch wenn diese nicht gewerkschaftliche Positionen vertreten. Die Gewerkschaften müssen sich in schwieriger Zeit einem gesellschaftlichen Diskurs stellen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Debatten mit „befreundeten“ Organisationen und Einrichtungen und den so genannten fortschrittlichen Kräften wenig dazu beitragen, die Deutungshoheit über gesellschaftliche Prozesse in einer bürgerlichen Gesellschaft zu erlangen.

Mir ist sehr wohl bewusst, dass es in fundamentalen politischen Fragen höchst unterschiedliche Auffassungen zwischen den Gewerkschaften und der Bertelsmann-Stiftung gibt. Eine gemeinsame Veranstaltung mit dieser Stiftung zum Thema „Kommunalfinanzen“ bedeutet natürlich nicht die Übernahme der Positionen der Bertelsmann-Stiftung. Wenn Sie das gemeinsame Papier der Bertelsmann-Stiftung und des DGB NRW zum Thema Gemeindefinanzen lesen, werden Sie feststellen, dass in diesem gemeinsamen Papier keine gewerkschaftliche Position aufgegeben wurde. Dies wird auch zukünftig nicht der Fall sein. Demokratische Kultur beinhaltet auch, dass Organisationen und Einrichtungen mit unterschiedlichen Positionen sich auf Debatten „einlassen“. Eine Politik, die darauf hinausläuft, Einsichten in den Fortgang der Geschichte für sich zu reklamieren, wird scheitern. Gewerkschaften sind mehr denn je auch nur punktuell auf Zustimmung in der Gesellschaft angewiesen. In der Schulpolitik teilt z. B. die Bertelsmann-Stiftung unsere Position des längeren gemeinsamen Lernens. Natürlich wird die Bertelsmann-Stiftung nicht mit wehenden Fahnen zu unserem Konzept der Gesamtschulen „überlaufen“. Dies ist weder zu erwarten noch absehbar. Ähnlich verhält es sich beim Thema Studiengebühren.

Sie können mir schon unterstellen, dass mir bewusst ist, dass von politischer Neutralität bei der Bertelsmann-Stiftung keine Rede sein kann. Politische Neutralität ist mir generell suspekt, weil meine Erfahrung lehrt, dass hinter dieser Begrifflichkeit fast immer politische Parteinahme steckt. Im Übrigen spreche ich ungern von neoliberaler Ideologie, weil dies zu ungenau ist. In der politisch-theoretischen Auseinandersetzung geht es vielmehr auch beim Thema Gemeindefinanzen um Sozialstaatlichkeit vs. Marktradikalismus.

Der DGB NRW hat keine Veranstaltung der Bertelsmann-Stiftung unterstützt, sondern vielmehr eine gemeinsame Veranstaltung mit dieser Einrichtung vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet. Dass die Stiftung daran interessiert ist, gesellschaftliche Gruppen für sich einzunehmen, ist mir auch nicht unbekannt. Sie können sicher sein, dass der DGB NRW sich weder von der Bertelsmann-Stiftung noch von anderen gesellschaftlichen Gruppen einvernehmen lässt.

Mir war bisher nicht klar, dass Parteitage generell öffentlich sind. Öffentlichkeit wird vielmehr durch Presse, deren Vertreter sich ausweisen müssen, hergestellt. Und an Debatten auf Parteitagen können selbstverständlich nur Delegierte und redeberechtigte Gäste teilnehmen. Vielleicht ist ja die Praxis bei Attac eine andere!?

Die gemeinsame Veranstaltung des DGB mit der Bertelsmann-Stiftung war keinesfalls nur für Funktionäre öffentlich oder hatte gar einen elitären Charakter. Viele Persönlichkeiten unterschiedlichster gesellschaftliche Gruppen nahmen teil. Dazu gehörten durchaus auch Mitglieder von Attac und Persönlichkeiten, die äußerst kritisch gegenüber der Bertelsmann-Stiftung agieren. Und so muss es auch sein!

Am ver.di-Workshop am 28.04. kann ich leider aufgrund langfristiger Terminvereinbarungen nicht teilnehmen. Der DGB NRW wird aber durch andere Kolleginnen und Kollegen vertreten sein.

Übrigens: Bei der von Ihnen kritisierten Veranstaltung handelt es sich natürlich nicht um eine Privatangelegenheit des Guntram Schneider. Die Veranstaltung wurde im DGB-Bezirksvorstand, dem alle acht Mitgliedsgewerkschaften angehören, vorbereitet und beschlossen.

Ich bedanke mich für Ihre Stellungnahme und hoffe, dass Attac auch über einen breit angelegten gesellschaftlichen Diskurs mit Andersdenkenden an Einfluss
gewinnt. Abschotten und einigeln führt letztendlich zu politischer Subkultur.
Zukünftig wird es gerade für die Gewerkschaften mehr denn je darauf ankommen, ausgehend von einer Position der Stärke, Diskurse über beste Lösungen gesellschaftlicher Konflikte zu führen. Ich bin fest davon überzeugt, dass daraus Kraft und politischer Einfluss erwächst. Die Zeit abgeschotteter Milieus, in der man sich gegenseitig in seinen Auffassungen bestärkt, ist endgültig vorbei!

Mit freundlichen Grüßen
Guntram Schneider
DGB-Bezirksvorsitzender NRW

Ein kurzer Kommentar dazu:

In dem 10 Punkte Papier des DGB NRW und der Bertelsmann-Stiftung wird zwar Privatisierung abgelehnt. Im Widerspruch dazu wird das NKF ( Neue Kommunale Finanzmangement ) gelobt, welches ein neoliberales Modell ist. Bei einer Podiumsdiskussion gestern mit den Landtagskandidatenaus Bielefeld wurde dies vom Vertreter der FDP in den höchsten Tönen gelobt.

Bei attac-Ratschlägen kann tatsächlich jeder mitreden und mitabstimmen. Einzig und allein für Wahlen und Finanzfragen werden Delegierte gewählt.

Wenn die Kooperation mit der Bertelsmann-Stiftung mit ver.di und der GEW abgestimmt wurde, müssen sich dessen VertreterInnen fragen, wieso sie sich über Bundesbeschlüsse der hinweg gesetzt haben.(rh)